Die Geschichte des Chorverbandes Berlin e.V.

Die musikalischen Wurzeln liegen weit zurück und reichen bis ins 18. Jahrhundert. Da wäre zunächst Carl Friedrich Fasch (1736-1800) zu nennen, der 1791 die Berliner Singakademie gründete und damit den Grundstein zu geregelter, gehobener Chorpflege in Deutschland legte. Sein Schüler Carl Friedrich Zelter (1758-1832), Baumeister, musikalisches Multitalent und Goethe-Freund, übernahm 1800 nach Faschs Tod die Leitung und setzte durch, dass man im Jahre 1827 ein eigenes Haus am Berliner Festungsgraben beziehen konnte. In diesem von Karl Theodor Ottmer nach Skizzen Karl Friedrich Schinkels errichteten klassizistischen Gebäude bereitete Zelter 1829 die Wiederaufführung von Bachs “Matthäuspassion” vor, die sein bedeutendster Schüler, Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-47), mit großem Erfolg dirigierte. Eine der tragenden Rollen übernahm dabei natürlich die Berliner Singakademie. Aus heutiger Sicht könnte man sagen, im Jahre 1827 hatte die Berliner Chorszene ihr eigenes Haus, aber wie ist das eigentlich im Jahre 2011? Seit 1952 spielt in der ehemaligen Singakademie das Maxim-Gorki-Theater. Zelter war es auch, der 1809 die Liedertafel, eine Vereinigung von Männern zur Pflege des gemeinsamen Gesanges, ins Leben rief und damit ebenfalls eine musikhistorisch bedeutende Leistung vollbrachte. Erwähnt sei noch der Musikpädagoge, Volksliedsammler und Chordirigent Ludwig Erk (1807-83), der im Berliner Musikleben um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine herausragende Rolle spielte und mehrere Chöre begründete.

Am 22. Juni 1901 wurde in Berlin von elf (!) Chören darüber beraten, ob es wohl zweckmäßig sei, eine regionale Gemeinschaftsorganisation zu schaffen, die die spezifischen Interessen der Sängerinnen und Sänger gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit effektiv vertreten könnte. Am 25. September 1901 war es dann so weit, acht (!) Männerchöre mit insgesamt 909 Mitgliedern bildeten den ersten Berliner Regionalverband. Man einigte sich auf den Namen „Berliner Sängerbund“. Da zu dieser Zeit Charlottenburg und Köpenick noch selbständige Gemeinwesen waren, sprach man offiziell vom “Regionalverband für Berlin und Umgebung”. Potsdamer Sänger gehörten übrigens auch dazu.

Die 20-er Jahre brachten dann wesentliche demokratische Impulse, aber die folgende Zeit zwischen 1933 und 1945 bedeutete Stagnation, Knebelung und Bevormundung. Die deutsche Teilung nach 1945 führte zu einem politischen und künstlerischen Auseinanderleben und schließlich zu gegenläufigen Entwicklungen. Und dann kam 1989/90 die Wende. Die Vereinigung der Ost- und Westberliner Chorvereinigungen zu einem einheitlichen neuen Berliner Sängerbund ist ein denkwürdiger Vorgang, der beispielhaft die unterschiedlichen Konzepte und Strukturen beider Seiten in vorbildlicher Weise zusammenführte. Und hier muss man ganz besonders Reinhard Stollreiter hervorheben, der es verstand, gemeinsam mit Peter Vagts und Thomas Bender vom Ostberliner Chorverband diesen Vereinigungsprozess mit politischem Instinkt, psychologischem Geschick und musikalischer Kompetenz zum Erfolg zu führen.

Auf der Jahreshauptversammlung am 25. März 2008 wurde mit großer Mehrheit beschlossen, den “Berliner Sängerbund e. V.” in “Chorverband Berlin e. V.” umzubenennen.

Heute vereinigt der Chorverband Berlin rund 290 Chöre mit über 11.000 Sängerinnen und Sängern aus den ehemaligen Ost- und Westteilen der Stadt. Alle haben ihr Können und ihre Erfahrungen eingebracht. Das Vereinsleben funktioniert bestens, und die Arbeit in den Chören ist geprägt von Toleranz, sozialem Verantwortungsgefühl und dem Ziel, gute musikalische Qualität zu erreichen.

Seit März 2009 ist Petra Merkel Präsidentin des Chorverbandes Berlin. Von ihr gehen zahlreiche Impulse aus, die auf die Vertiefung partnerschaftlicher Beziehungen zu anderen Verbänden und Einrichtungen, auf die Verbreiterung der Öffentlichkeitsarbeit und die stärkere Einbeziehung von Berliner Bürgern mit Immigrationshintergrund gerichtet sind. Petra Merkel ist kommunikativ, kann zuhören und ist für alle Generationen und Kulturen offen.

Seit 2010 vergibt der Chorverband Berlin die Geschwister-Mendelssohn-Medaille als Auszeichnung für herausragende Verdienste in der Chorszene. Jährlich werden drei Medaillen verliehen. Partner ist die Mendelssohn-Gesellschaft. Ort der Verleihung ist die Mendelssohn-Remise in der Jägerstraße, nahe dem Gendarmenmarkt.

Weitere interessante Informationen zur Geschichte der Berliner Chorszene findet man in dem 2001 im Berliner Parthas Verlag erschienenen Buch „Stimmen der Großstadt“ von Habakuk Traber. Er schreibt sehr anregend über Berliner Chöre zwischen Kunst, Geselligkeit und Politik. Das Buch kann über unsere Geschäftsstelle bezogen werden.